Männer mit Putzlappen - Die wahre Wahrheit über Pétanque
(dpa) Einer Ende 2005 veröffentlichen Studie der Universität
Tirana zufolge, belegt Pétanque hinter Hallen-Halma und Synchronschwimmen
weiter Rang drei unter den weltweit peinlichsten Sportarten. Das zu Beginn des
20. Jahrhunderts von einem rheumakranken Rentner in Südfrankreich ausgeheckte
Spiel, konnte seither weder die Neugier der Sportpresse wecken, noch etwas anderes.
Wer mag schon mit ansehen, wie erwachsene Männer unablässig Stahlkugeln
abwischen? Nur weil eben gereinigte Kugeln gleich wieder in den Staub geworfen
werden, kann sich das putzige Treiben in die Länge ziehen. Nicht selten
dauert ein solches Spektakel eineinhalb Stunden und mehr. Wer den Sieg davonträgt,
ist für Außenstehende gar nicht und für die Beteiligten nur
schwer zu erkennen. Neben der erzielten Sauberkeit der Kugeln gibt angeblich
die Größe der verwendeten Reinigungstücher den Ausschlag. Wie
zuletzt bei einer nationalen Pétanque-Meisterschaft in Berlin zu beobachten
war, setzen sich meist Aktive mit sehr kleinen Putzlappen durch. Ein nur brillentuchgroßes
Sportgerät, das kaum den Handteller bedeckt, gilt als Nonplusultra. So
verwundert es nicht, dass der in Berlin erneut zum Pétanque-Meister gekürte
Klaus Mohr, mit einem mikroskopisch kleinen Wischfetzen an den Start gegangen
war. Umgekehrt scheiden unerfahrene Kugelputzer, die getreu dem Motto "Viel
hilft viel" mit kompletten Geschirrtüchern oder Badelaken antreten,
regelmäßig in den Vorrunden aus. Allerdings versperrt nicht allein
Unerfahrenheit den Weg zu sportlichem Ruhm, sondern auch das Regelwerk. Danach
steht die zulässige Mindestgröße des Putztuchs irgendwie im
umgekehrten Verhältnis, zu den so genannten Ranglistenpunkten des Aktiven.
Genaueres wollte der in Siegburg ansässige Deutsche Pétanque-Verband
(DPV) auf Nachfrage aber nicht mitteilen.
Zu den rätselhaften Aspekten einer Pétanque-Partie zählt auch
die Frage, welche der beiden Mannschaften ihre Kugeln zuerst vom Boden aufheben
und mit der Reinigungsprozedur beginnen darf. Während hierfür teils
gar keine Vorschriften zu bestehen scheinen, entscheidet in anderen Fällen
ein kompliziertes Messverfahren, bei dem die Abstände der Kugeln beider
Teams von einem zentralen, bezeichnenderweise "Schweinchen" genannten
Referenzobjekt ermittelt werden. Hier kommt das nach dem Putzlappen zweitwichtigste
Pétanque-Equipment zum Einsatz: ein Maßband, wie es sonst Dachdecker
und Verkehrsunfall-Sachverständige verwenden. Einem geläufigen Irrtum
zufolge, müssen Aktive ein eigenes Messgerät mitführen. So sieht
man Neulinge immer wieder hoffnungsfroh mit einem am Hosenbund befestigen Maßband
oder gar mit einem Zollstock in den Wettkampf ziehen. Doch Misserfolg ist vorprogrammiert,
denn gewinnen können laut Reglement nur solche Spieler, die das Maßband
vom Gegner oder von einem Zuschauer ausleihen. Nach Auskunft des DPV-Pressesprechers
gilt dieser häufig übersehene Passus, bei nationalen Meisterschaften
ab dem Viertelfinale, bei internationalen Wisch-Events, sogar von Anfang an.
Zur Ausrüstung vieler Pétanque-Sportler gehört auch ein an
einer Kordel baumelnder Magnet. Gemeinhin verfügt allein der erfahrenste
Spieler einer Équipe über eine solche Angel. Mit dieser hievt er
seine im Staub liegenden Kugeln so weit in die Höhe, bis er sie mit der
freien Putzhand bequem in Empfang nehmen kann. Laut Reglement scheiden Mannschaften
mit mehr als einem Magnetheber jedoch spätestens in der dritten Wettkampfrunde
aus. Bedrohliche Ausmaße hat auch die Kommerzialisierung erreicht. Während
andere Sportarten am Gängelband von TV-Anstalten und finanzgewaltigen Sponsoren
hängen, waren es im Pétanque ausgerechnet die Kugelhersteller, die
dem einst unschuldigen Wettwischen Mammons schnöde Fratze aufgesetzt haben.
Kein Versprechen ist zu windig, um damit die Aktiven nicht alle paar Monate
zum Erwerb neuer Kugeln zu bewegen. Mal heißt es, eine revolutionär
neue Edelstahl-Legierung verbessere die Staubanhaftung, mal heißt es,
eine extrem glatt polierte Oberfläche verringere den Faserabrieb des Putzlappens,
und stets keimt in den Aktiven die Erwartung, mit neuen Kugeln auch sportlichen
Erfolg zu erkaufen. Bizarrerweise bleibt das eigentliche Erfolgsgeheimnis, nämlich
ein Wischtuch von minimaler Größe, der Mehrheit der Aktiven verborgen.
Gänzlich bedeutungslos ist die Qualität der Kugeln indessen nicht:
Denn sollte ein solches Putzobjekt einmal im Wettkampf zerbrechen, darf hernach
nur noch das größte Bruchstück abgewischt werden, was in die
sichere Niederlage führt. Wahrscheinlich hat auch diese abstruse Regelung
dazu beigetragen, dass Pétanque unter den im globalen Vergleich peinlichsten
Sportarten so weit vorne rangiert. Das wuchernde Regelgestrüpp erstreckt
sich auch auf die Bekleidung der Aktiven. Ihnen ist bei Strafe der Disqualifikation
untersagt, mit bloßem Oberkörper zum Kugelputzen anzutreten. Diese
angesichts des körperlichen Zustands vieler Aktiver medizinisch wie ästhetisch
sinnvolle Bestimmung endet jedoch an der Gürtellinie; ein nackter Unterleib
scheint nach Auffassung des Pétanque-Weltverbands mit dem Kugelputzen
durchaus vereinbar zu sein. Jedenfalls bleibt diese Körperzone im Regelheft
so ausdrücklich unerwähnt, dass sich FKK-Treibende fast automatisch
zum Kugelwischen hingezogen fühlen. Nudisten-Vereine zählten daher
schon früh zu den tragenden Säulen des DPV.
Zu den fragwürdigen Randerscheinungen des Kugelputzsports gehören
auch die kuriosen Verrenkungen, mit denen eben abgewischte Putzobjekte wieder
in den Staub geworfen werden. Die Athleten nehmen dazu gern eine gebückte
Haltung ein und lassen die Kugel meterweit über den Boden rollen, wahrscheinlich
in der Hoffnung, so besonders viele Schmutzpartikel einzusammeln. Während
manche Kugelwischer noch einigermaßen geschmeidig in die Hocke gehen können,
begnügt sich die vom Alter schon schwer gezeichnete Mehrheit der Aktiven
mit einer nur angedeuteten Kniebeugung, die zuweilen mit unappetitlichen Wackelbewegungen
des Hinterteils kombiniert wird. Andere, noch jugendliche und offenbar von überschüssigen
Energien geplagte Putzsportler neigen zu einer besonders perfiden Art, sich
des Objekts zu entledigen. Mutwillig schleudern sie die Kugel so, dass sie
statt auf dem Boden auf einer vom schon Gegner weggeworfenen Kugel landet
und letztere dann unter der Wucht des Aufpralls eine gänzlich neue, vom
Geschehen weit entfernte Position einnimmt. Vermutlich ist Schadenfreude die
Triebfeder dieses unsportlichen Verhaltens: Soll der Gegner doch sehen, wie
er seine Kugel wiederfindet. Für Außenstehende unbegreiflich bleibt,
warum die Schiedsrichter dieser Verrohung des Pétanque-Sports tatenlos
zusehen. Als sich jeder Deutung entziehendes Mysterium erleben Beobachter, wie
Pétanque-Sportler stets in einem in den Boden geritzten Kreis Aufstellung
nehmen, bevor sie eine geputzte Kugel wieder in den Staub schicken. Regelmäßig
irren die Athleten dann unschlüssig in der Gegend umher, bis sie sich für
einen der zahlreichen Kreise entschieden haben. Nur gehfaule Wettkämpfer
kratzen hingegen gleich dort, wo sie gerade stehen, ein neues Rund ins Spielgelände.
Doch so vermehren sie die zur Auswahl stehenden Kreise immer weiter, was Mitspieler
wie Kontrahenten im Verlauf eines Matches in immer tiefere Verwirrung über
die vorteilhafteste Abwurfposition zu stürzen scheint. Zum Glück drücken
die allgemein als streng geltenden Schiedsrichter dann meist ein Auge zu und
gestatten den Beteiligten, wenigstens einen Teil der Kreise unkenntlich zu machen.
So können sich die Athleten wieder besser aufs Wesentliche konzentrieren
auf sauber geputzte Kugeln.
(Verfasser unbekannt)